Agile E-Learning-Entwicklung und dafür benötigte Kompetenzen: Ein Interview mit der SupraTix GmbH
Veröffentlicht von Jeannette Göcke, SupraTix GmbH (2 Jahre, 8 Monate her aktualisiert)
- Warum haben Sie sich als Unternehmen entschieden, Ihre E-Learnings agil zu entwickeln?
Unsere Kundinnen und Kunden stehen bei uns im Mittelpunkt, wenn wir E-Learnings bzw. Blended-Learning-Szenarien entwickeln. Um ihnen den Entwicklungsprozess näherzubringen und die Vorstellungskraft bezüglich des Aussehens der Lernsession zu stärken, arbeiten wir in unserer Produktion agil, d. h. in kleinen Schritten. Durch den kontinuierlichen Einblick in den Entwicklungsprozess und die Möglichkeit Nachfragen zu stellen, können an manchen Stellen Lösungen gefunden werden, die vorher noch gar nicht bedacht wurden oder werden konnten. Wir nehmen unsere Kundinnen und Kunden bei der Produktion quasi an die Hand und sie bekommen auf diese Weise, wirklich das, was sie brauchen. Somit können wir die Anforderungen effizient umsetzen und eine kostengünstigere bzw. wettbewerbsfähigere Produktion anbieten.
- Was bedeutet für Sie agile Entwicklung in der Praxis? Wie gehen Sie vor?
Das bedeutet, dass wir in der engen Zusammenarbeit mit unseren Kundinnen und Kunden standardisiert vorgehen, aber zum Schluss ein individuell auf den Kunden zugeschnittenes Produkt entsteht. Für die besten Ergebnisse bzw. Produkte achten wir darauf, alle Stakeholder so früh wie möglich zu involvieren. Um eine Lernsession agil zu entwickeln, gehen wir nach dem ADDIE-Modell vor. Wir betrachten also bei der agilen Produktion zunächst die Zielgruppe der Lernenden, die unsere Auftraggeber/innen mit ihrem E-Learning erreichen wollen. Im Anschluss sowie in und nach jeder Phase des ADDIE-Modells finden formative Evaluationen statt – erst intern, dann extern. Somit sorgen die kontinuierlichen Feedbackschleifen für eine weitere, schrittweise Umsetzung der Kundenbedürfnisse. Steht die gesamte Konzeption, produzieren wir mit unserem Creator (Autorentool) HTML5-Inhalte. Dabei haben die Kunden durch unser Aufgabentool (Kanban-Board) stets den Überblick über den Zeitplan, die Aufgaben und die Verantwortlichen etc. Wir verknüpfen die Inhalte sowie unsere zusammengestellten Kurse mit Lernzielen bzw. Kompetenzen, die durch unsere Smart Learning Environment messbare Lernergebnisse liefert, wie z. B. den Lernzuwachs. Jede Produktion wird durch eine Übergabe, Testing und summativer Evaluation innerhalb der Plattform abgeschlossen.
- Welche Kompetenzen und Fähigkeiten benötigen Ihrer Meinung nach die Beteiligten und Mitarbeitenden, um in der agilen Produktion erfolgreich zu sein?
Um in der agilen Produktion erfolgreich zu sein, ist es notwendig, den Kunden in den Fokus der Prozesse zu rücken und ihn immer wieder miteinzubeziehen. Dabei ist ein gewisses Maß an Entrepreneurship notwendig, denn Aufwände und Zeiten müssen auch bei agilen Produktionen eingehalten und überwacht werden. Die vermehrten Feedbackschleifen haben natürlich auch Auswirkungen auf getätigte Entscheidungen und im Voraus besprochene Konzepte. Damit müssen die Mitarbeitenden umgehen und sich auf die Neuausrichtungen einlassen können. Eine offene und angemessene Kommunikation ist Voraussetzung für eine agile Zusammenarbeit, denn je eher Kritik oder Bedenken geäußert werden, umso besser kann der ganze Produktionsprozess in die gewünschte Richtung ausgerichtet werden.
- Wie können sich die Mitarbeitenden diese Kompetenzen und Fähigkeiten aneignen?
Um Kundinnen und Kunden zu befähigen, mit unserer Plattform umgehen zu können, machen wir mit ihnen ein Pilotprojekt. Wir binden sie quasi von Anfang an in die Konzeption und Produktion mit ein.Für erste Erklärungen zum Umgang mit unserer Plattform haben wir HowTo-Videos entwickelt, die die Bedienung zeigen. Ist aber ein tieferes Wissen gefordert, so übernehmen wir die Rolle des Coaches. Wir beantworten Fragen, just dann und dort, wo Antworten gebraucht werden. Durch das Ausprobieren im Praxisprojekt befähigen wir die Kundinnen und Kunden im Umgang mit unserer Plattform. Auf diese Weise können sie ihre nächsten Projekte selbstständig umsetzen und unabhängig von uns ihre weiteren Ziele verwirklichen.
- Welche organisatorischen Rahmenbedingungen müssen aus Ihrer Sicht erfüllt sein, damit Ihr Team in der agilen E-Learning-Produktion erfolgreich sein kann?
Eine agile Produktion reagiert stets auf Einflüsse. Veränderungen werden aktiv miteinbezogen und im besten Fall nicht ignoriert. Damit dies erfolgreich sein kann, müssen natürlich andere organisatorische Rahmenbedingungen vorherrschen als bei einer normalen Wasserfallproduktion. Unter anderem bedeutet das, dass sich die Ziele auch noch einmal ändern können und nicht nur ergebnisorientiert mit festen Zielen an festen Meilensteinen produziert werden kann. So muss man anerkennen, dass der Weg das Ziel ist und ein agiles Projektmanagement unerlässlich ist. Es muss also das ganze Projekt betrachtet werden und nicht einzeln feststehende Bedingungen, die an Meilensteinen hängen. Setzt man hierfür messbare Zwischenergebnisse fest, gibt es auch bei den Kundinnen und Kunden eine Sicherheit des Projekterfolgs. Auch die kontinuierliche Einbindung des Kunden/ der Kundinnen in den Feedbackprozess verlangt zeitliche Ressourcen, die zu Beginn mit beachtet werden müssen. Genauso gilt dies aber auch für uns als E-Learning-Hersteller. Da es bei einer agilen Produktion nach mehreren Feedbackschleifen auch zu einem erhöhten Mehraufwand kommen kann, müssen die vertraglichen Regelungen klar formuliert werden, sodass am Ende niemand draufzahlt.
- Welche Rolle spielen Führungskräfte und Management beim agilen Arbeiten?
Das agile Arbeiten an sich verlangt flache Hierarchien, um auch aktiv auf die neuen Einflüsse reagieren zu können und eine schnelle und effiziente Produktion zu gewährleisten. Die Definition einer Führungskraft an sich, wie es die bestehende Arbeitswelt kennt, verändert sich. Agile Teams organisieren sich selbst. Die Führungskraft wird eher ein Mitgestalter und Begleiter. Die Führungskraft und das Management behalten den Überblick über die verschiedenen Projekte und die Zwischenergebnisse. Welche Kompetenzen eine Führungskraft für eine agile Arbeitsweise benötigt, erfahren Sie in unserem Projekt „Agilhybrid“. Fragen Sie uns bei näherem Interesse gern dazu an.
- Was waren bisher für Sie die größten Herausforderungen in der agilen E-Learning-Produktion und wie haben Sie sie gemeistert?
Die größte Herausforderung für uns ist das fehlende Mindset der Kundinnen und Kunden. Zu Beginn wird vom Kunden ein ausführliches Konzept verlangt, was er dann auch beauftragen will. Da es sich jedoch um eine agile Produktion mit Feedbackschleifen, in die auch die Zielgruppe eingebunden wird, handelt, ist ein starres Konzept von vornherein nicht sinnvoll. Es müssen andere Fragen geklärt und auch Personas erstellt werden, die die Zielgruppe des E-Learnings abbilden. Dann wird in die agile Produktion gestartet. Der Weg ist sozusagen das Ziel. Eine weitere Schwierigkeit, unserer Erfahrung nach, ist die Feedbackkultur der Kunden. Bedenken werden manchmal erst sehr spät geäußert, was eine erfolgreiche, ressourcensparende und damit auch kostengünstige Produktion für den Kunden erschwert. Aufgrund dessen fordern wir das Feedback von unseren Kunden sehr früh ein, stellen Kanban-Boards für die Zusammenarbeit zur Verfügung und fragen selbst die kleinsten Details ab, sodass eine effiziente Produktion möglich ist.
- Welche Tipps würden Sie Firmen geben, die ihre E-Learning-Produktion auf eine agile Arbeitsweise umstellen wollen?
- Mutig sein und einfach anfangen. Da die Arbeitsweise kleinschrittig ist, können Prozesse im Arbeitsalltag langsam umgestellt und effektiver gestaltet werden.
- Holen Sie sich schnell Feedback von Ihrer Zielgruppe und lassen Sie sie an Ihren nächsten Schritten teilhaben.
- Setzen Sie sich mehrere Meilensteine, die auch enger terminlich zusammenliegen können.
- Oft fehlt die Vorstellungskraft der Zielgruppe. Durch eine agile Produktion wird auch bei dieser Kreativität entzündet. Seien Sie in Ihrer Produktion transparent.
- Offene Kommunikation auf beiden Seiten. Bedenken und Kritik sollte von Zielgruppe und Produzent schnellstmöglich geäußert werden. Je eher solche Sachen aus dem Weg geräumt sind, desto eher wird in die richtige Richtung produziert.
- Grenzen setzen. Auch bei einer agilen Produktion muss klar sein, dass gewisse Inhalte, wenn sie erst einmal produziert und abgenommen worden sind, nicht von neuem erstellt werden.
- Mit anderen Erfahrenen, denen man vertraut, sprechen (z. B. bezüglich Tools, Arbeitsprozesse, die Wahl der lernfähigsten MitarbeiterInnen, …)
- Gute Arbeitsräume!
- Funktionierende Tools mit dem Mut zur Veränderung, falls sie nicht den gewünschten Funktionsumfang haben
- SupraTix‘ Digital Learning Day! Dort begleiten wir unsere potentiellen Kundinnen und Kunden auf die Reise zur Digitalisierung Ihres Unternehmens oder Ihres E-Learning-Vorhabens.